Gedichte verfassen? Geht doch!
In der Klasse 8b haben die Schülerinnen und Schüler unter Anleitung von Herrn Dr. Grenzler Gedichte „Elfchen“ geschrieben.
Der Ablauf des Projekts folgt den didaktischen Prinzip der sogenannten „Handlungs- und Produktionsorientierung“. Die lernpsychologische Grundlage dafür hat der Schweizer Psychologe und Hochschullehrer Hans Aebli in seinem Grundlagenwerk „Denken – Ordnen des Tuns“ beschrieben. Eine Grundform des Lernens funktioniert so: Es gibt ein Problem, das man lösen will. Man beobachtet zuerst jemanden, der ein Problem mit einer Handlung löst und/oder führt diese Handlung auch gleich selbst aus. In einem zweiten Schritt überlegt man, was man wie getan hat. Damit hat man im Gehirn eine sogenannte kognitive Struktur aufgebaut, die es ermöglicht, dass man bei einem vergleichbaren Problem dasselbe noch einmal tun kann und damit das Problem erfolgreich löst.
Das Ausgangsproblem in der Klasse 8b:
Wir haben Winter – jeder macht sich ein persönliches, gefühlsmäßiges Bild vom Winter. Wie kann man einen Text schreiben, in dem man dieses ganz persönliche Bild darstellt?
Schritt 1: Beobachten eines Lösungswegs: Das Modell eines „Elfchens“ wird vorgestellt. Das Elfchen enthält in einfacher Form Prinzipien des japanischen Haikus und ermöglicht es, auf einfache Weise einen Gedichttext zu schreiben, der ästhetisch und sinnvoll aufgebaut ist.
Schritt 2: Nachvollzug und Bewusstmachung (Kognitivierung) des Lösungswegs: Jeder Schüler schreibt sein persönliches Elfchen. Indem ein Gegenstand von dem Schüler als Bildzentrum gewählt wird, entsteht ein Gedicht. Im Anschluss folgt das Bewusstmachen, was geschehen ist: Was habt ihr wie gemacht, damit diese Gedichte entstanden sind?
Auf diesem Wege können die Schüler die Definition der Allegorie (Regelbildung) entdecken: Sie haben einen abstrakten Gegenstand, hier den Winter, mit einem sprachlichen Bild ausgedrückt. Dabei ist das Bild der Gegenstand, den sie als typisch für den Winter ausgesucht haben. Dessen Eigenschaften werden auf den Winter, übertragen. Dadurch entsteht ein jeweils neues, individuelles Bild des Winters: hier in Form des Elfchens.
Was haben die Schüler gelernt?
Zuerst kennen sie nun die Allegorie, dann haben sie einen Weg gefunden, eine Allegorie analytisch zu deuten. Dieses Wissen und Können sind auch für die Standards des Mittleren Schulabschlusses und auch für das Abitur grundlegend.
Die Schüler können etwas sprachlich und mit Medieneinsatz präsentieren: Indem der Gedichtvortrag geübt wird – wie positioniere ich mich, wie beziehe ich mich auf das projizierte Bild, wie trage ich etwas vor – wird auch diese Kompetenz geschult.
Zum Abschluss stellen sie den Bezug zum Thema des fächerübergreifenden Unterrichts her:
Gedichte drücken persönliche Einstellungen, Gedanken und Gefühle aus: wesentliche Elemente der persönlichen Identität.
Zwei Schüler/innen begrüßen das Publikum und erklären, was passiert:
„Wir begrüßen Sie sehr herzlich zu unserer Dichterlesung!
Schülerinnen und Schüler der Klasse 8b haben allegorische Gedichte zum Thema Winter geschrieben, die sie jetzt vortragen werden. In einer Allegorie wird etwas Abstraktes als Bild ausgedrückt, so dass es besser vorstellbar wird.“
„In den Gedichten wird deutlich, was jeder einzelne Schüler für eine persönliche Einstellung zum Winter hat. Und das ist auch die Verbindung zum fächerübergreifenden Unterricht zum Thema ‚Identität’: Das Wort ‚Identität’ bedeutet, dass man ein Mensch mit besonderen Eigenschaften und Einstellungen ist.“
Die Gedichte werden an die Klassenwand projiziert und die Schuler tragen sie jeweils vor und deuten sie dann auch.
Ein Beispiel für eine Deutung (Rabia):
„Ich habe als Bildzentrum das Wort Knirschen ausgewählt, wie es mir als Erstes zum Thema Winter eingefallen ist. Die Eigenschaften unheimlich, leicht und leise meines Bildspenders ‚Knirschen’ werden auf den Bildempfänger ‚Winter’ übertragen. Durch diese Eigenschaften entsteht ein positives Bild vom Winter, weil er durch sie geheimnisvoll wirkt.“